Geistlichen Missbrauch verhindern
Aktuell werden 64 Maßnahmen, die künftig sexuellen Missbrauch im Bistum Limburg verhindern sollen, umgesetzt. In der Interviewreihe "Werkstattgespräch" geben wir konkrete Einblicke in die Umsetzung und berichten über die Arbeit der Verantwortlichen an einzelnen Maßnahmen. Der aktuelle Stand der Umsetzung kann jederzeit hier eingesehen werden.
Samuel Stricker ist Leiter des Zentrums für christliche Meditation und Spiritualität in Hl. Kreuz Frankfurt.
An welcher Maßnahme arbeiten Sie aktuell und in welchem Zusammenhang steht das mit Ihrer sonstigen Tätigkeit?
Aktuell arbeite ich, zusammen mit einer Arbeitsgruppe, an einem Rahmenkonzept gegen spirituellen Missbrauch im Bistum Limburg. Dabei werden Standards für das Bistum benannt, die geistlichen Missbrauch bestmöglich verhindern sollen und die dann in den verschiedenen Bereichen (Pfarreien, Einrichtungen, Verbänden, Gemeinschaften, etc.) konkretisiert werden. Dabei geht es auch darum, Ansprechpersonen für Betroffene von spirituellem Missbrauch zu benennen und standardisierte Verfahrenswege bei Verdachtsmeldungen zu etablieren.
In meiner Tätigkeit habe ich – vor allem in der geistlichen und seelsorglichen Begleitung - immer wieder mit Menschen zu tun, die Missbrauch erleben mussten. Außerdem hat unser „Zentrum für christliche Meditation und Spiritualität“ den Auftrag, die spirituelle Vielfalt der christlichen Tradition sicht- und erfahrbar zu machen und Menschen in ihrer Suche nach einer authentischen und selbstbestimmten Spiritualität zu unterstützen. Das ist meiner Einschätzung nach auch einer der wichtigsten Punkte zur Prävention von spirituellem Missbrauch.
Auf welche Herausforderungen stoßen Sie? Und welche Lösungen finden Sie?
Spiritueller Missbrauch ist zwar kein neues Phänomen, die kirchliche Auseinandersetzung damit steht allerdings noch ganz am Anfang. Bisher gibt es keine allgemein gültige Definition, was spiritueller Missbrauch eigentlich genau ist oder wo missbräuchliches Verhalten anfängt. Das ist aber die Voraussetzung dafür, dass spiritueller Missbrauch benannt und auch angezeigt und sanktioniert werden kann. Auch in der staatlichen Rechtsprechung kommt geistlicher Missbrauch nicht vor. Daher besteht ein erster Schritt darin, zu beschreiben, was unter spirituellem Missbrauch zu verstehen ist.
Dabei macht das geistliche/spirituelle Leben - also die persönliche (und gemeinschaftliche) Beziehung und ihre Gestaltung zu Gott, zu mir Selbst, zu meinen Mitmenschen und zur ganzen Schöpfung – den Kern unseres Christseins aus. Die Auseinandersetzung mit Macht und Missbrauch in diesem Bereich berührt daher praktisch alle Facetten unseres Kircheseins – von ganz persönlichen, über pastoral praktische, theologische, systemische und strukturelle Fragen. Das macht das Thema sehr komplex. Eine wirksame Prävention muss daher viele Aspekte auf ganz unterschiedlichen Ebenen beinhalten. Das Rahmenkonzept setzt dabei so etwas wie „Mindeststandards“, die vor allem etwas mit Grundhaltungen zu tun haben und damit, wie wir unseren Auftrag als Kirche im Bistum Limburg verstehen.
Welche Effekte hat das Ergebnis für die Betroffenen?
Zum einen hoffen wir natürlich, möglichst viele für das Thema zu sensibilisieren. Spiritueller Missbrauch kann an allen Orten und in allen Formen kirchlichen Lebens geschehen und beschränkt sich keinesfalls nur auf Ordensgemeinschaften oder die Geistliche Begleitung. Es braucht ein Bewusstsein und eine Kultur der Achtsamkeit für Grenzverletzungen im geistlichen/spirituellen Bereich, nicht nur weil spiritueller Missbrauch häufig sexuellem Missbrauch voraus geht.
Durch die Beschreibung und die Etablierung von Standards gegen spirituellen Missbrauch, wird es für Betroffene hoffentlich besser möglich, übergriffige Erfahrungen als solche einordnen zu können und sprachfähig zu werden. Spiritueller Missbrauch kann dann benannt und sanktioniert werden und die Verfahrenswege sind dabei transparent.
Nicht zuletzt leistet eine umfassend Prävention einen wichtigen Beitrag dazu, dass Kirche im Bistum Limburg ein sicherer Raum für alle Menschen ist und bestmöglich vor spirituellem und sexuellem Missbrauch schützt.