Die Perspektive von Betroffenen einbringen
Aktuell werden 64 Maßnahmen, die künftig sexuellen Missbrauch im Bistum Limburg verhindern sollen, umgesetzt. In der Interviewreihe "Werkstattgespräch" geben wir konkrete Einblicke in die Umsetzung und berichten über die Arbeit der Verantwortlichen an einzelnen Maßnahmen. Der aktuelle Stand der Umsetzung kann jederzeit hier eingesehen werden.
Dagmar Gerhards ist Fachkraft für Kommunikation im MHG-Projekt "Betroffen hören - Missbrauch verhindern" im Bistum Limburg.
An welcher Maßnahme arbeiten Sie aktuell und in welchem Zusammenhang steht das mit Ihrer sonstigen Tätigkeit?
Das Ziel meiner Stelle ist es, die Perspektive von Betroffenen in die Kommunikation des Bistums mit und über Betroffene einzubringen. In diesem Zusammenhang arbeite ich an der Maßnahme „Organisation von Erzählräumen“. In dieser Maßnahme sollen exemplarisch drei Gesprächsformate entwickelt werden, die einer Tabuisierung der Missbrauchsthematik in der katholischen Kirche entgegenwirken. Bei all diesen Gesprächsformaten müssen die Bedürfnisse von betroffenen Personen berücksichtigt werden.
Auf welche Herausforderungen stoßen Sie? / Und welche Lösungen finden Sie?
Zunächst haben wir aus mehreren Richtungen erfahren, dass der Begriff „Erzählräume“ Widerstände erzeugt. Daraus lernen wir, dass wir in der konkreten Umsetzung besser andere Begriffe wie z.B. Aufarbeitungsworkshop o.ä. verwenden.
Eine vorbereitende Veranstaltung hatten wir für die Mitglieder der Diözesanversammlung für Anfang Februar geplant. Im Vorfeld waren die steigenden Corona-Zahlen für uns eine große Herausforderung, da wir unsere ursprüngliche Veranstaltungsidee nicht als Online-Veranstaltung durchführen konnten. Wir wollten dieses wichtige Thema aber auch nicht bis in den Sommer verschieben. So haben wir neu geplant und eine Referentin eingeladen, die ihre langjährige Erfahrung mit Angeboten für Betroffene einbrachte. Ihr Wissen um Traumatisierung, um Berührungsängste, Vorurteile und um Wege diese zu überwinden, war eine große Bereicherung für die Teilnehmenden – und auch für uns.
Welche Effekte hat das Ergebnis für die Betroffenen?
Idealerweise fühlen Sie sich ganz anders wahrgenommen. Nicht mehr als Bittsteller, sondern als Menschen, die mit ihren Verletzungen Gehör und Hilfe finden. Durch das Hören auf Betroffene wird sich eine Sensibilität für deren Bedürfnisse entwickeln. Dies wird das Sprechen und Handeln in unserem Bistum verändern.
In den betroffenen Pfarreien können Blockaden überwunden werden. Sie entwickeln eine Sprachfähigkeit, die sexuellen Missbrauch zukünftig verhindern hilft und einen leichteren Austausch mit Betroffenen ermöglicht.